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Steuerstraftat – Steuerverkürzung

Normen

§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO

Information

1. Allgemeines

Sowohl bei den

  • Steuerstraftaten im Sinne des § 369 AO als Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind (§ 369 Abs. 1 Nr. 1 AO) und damit im Wesentlichen bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO

als auch bei den

muss zur Verwirklichung der Rechtsfolge neben dem subjektiven Tatbestand (Schuldfrage) auch der objektive Tatbestand gegeben sein. Zum objektiven Tatbestand gehören die einzelnen objektiven Tatbestandsmerkmale, welche das äußere Erscheinungsbild der Tat festlegen. Sie enthalten Bestimmungen zum Täterkreis, zum Tatsubjekt, zum Tatobjekt, zur Tathandlung sowie weiteren besonderen tatbestandlichen Modalitäten, insbesondere dem Taterfolg.

Dieser Taterfolg muss zudem auch durch die Tathandlung verursacht worden sein (sogenannter Kausalzusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg).

Die Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO als wichtigste Steuerstraftat und die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO als wichtigste Steuerordnungswidrigkeit stellen sogenannte Erfolgsdelikte dar und sind somit für die Vollendung des Delikts abhängig vom Eintritt des im Tatbestand beschriebenen Erfolgs.

Dieser Taterfolg besteht bei den Steuerdelikten gemäß § 370 Abs. 1 S. 1 2. HS AO

  • zum einen in der Steuerverkürzung („und dadurch Steuern verkürzt“) oder

  • zum anderen in der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile.

2. Steuerverkürzung

2.1 Allgemeines zur Steuerverkürzung

Steuern sind gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 AO namentlich dann verkürzt, wenn sie

  • nicht,

  • nicht in voller Höhe oder

  • nicht rechtzeitig

festgesetzt werden.

Daraus folgt grundsätzlich, dass die Steuerverkürzung im Bereich der Steuerfestsetzung als Taterfolg anzusehen ist. Dies gilt sowohl für die Steuerhinterziehung nach § 370 AO als auch für die leichtfertige Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO, da sich diese lediglich im subjektiven Tatbestand der Schuldfrage von der Steuerhinterziehung unterscheidet.

Über die Formulierung „namentlich“ des § 370 Abs. 4 S. 1 AO lässt der Gesetzgeber neben der Verkürzungsdefinition für das Festsetzungsverfahren noch weitere, nicht ausdrücklich genannte Definitionen der Steuerverkürzungen in anderen Stadien des Besteuerungsverfahrens zu.

Aus diesem Grunde ist die Steuerverkürzung nicht rein rechnerisch in einer Minderung des Steueraufkommens zu sehen. Dies lässt sich insbesondere aus dem sogenannten Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3 AO ableiten, nach dem eine Steuerverkürzung auch dann gegeben ist, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können. Der Begriff der Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 1 AO ist neben der Minderung des bestehenden Zahlungsanspruchs des Staates gegen den Täter vielmehr in der „Gefährdung der rechtzeitigen und vollständigen Verwirklichung des Steueranspruches“ zu sehen.

Demnach ist steuerstrafrechtlich jegliche Verletzung des durch § 370 AO in Verbindung mit den jeweiligen Einzelsteuergesetzen geschützten Rechtsgutes strafbar.

Hinweis:

Die Nichtzahlung von Steuern stellt keine steuerlich erhebliche Tatsache im Sinne des § 370 Abs. 1 AO dar. Somit liegt ein objektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht vor. Aus diesem Grund ist die Nichtzahlung von Steuern nicht strafbar. Lediglich ein Verstoß gegen die Zahlungsverpflichtung aus § 26c in Verbindung mit § 26b UStG ist als eigener Straftatbestand unter Strafe gestellt. Die Nichtzahlung von Lohnsteuer-Abzugsbeträgen durch den Arbeitgeber stellt gemäß § 380 Abs. 1 AO als Gefährdung einer Abzugssteuer eine Steuerordnungswidrigkeit und damit keine Steuerhinterziehung dar.

Als Tathandlung kommt die Tatbestandsverwirklichung entweder durch ein aktives Tun (Begehungsdelikt) oder auch durch ein Unterlassen (Unterlassungsdelikt) in Betracht.

Hinweis:

Eine Steuerverkürzung wird gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 2. HS AO selbst dann angenommen,

  • wenn die Steuerfestsetzung vorläufig (§ 165 AO) oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) ergangen ist oder

  • eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht.

Gemäß § 168 AO steht eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Dies gilt für eine Steueranmeldung, die zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung führt, erst mit Zustimmung der Finanzbehörde. Die Zustimmung bedarf dabei keiner Form.

Dies entspricht der vertretenen Rechtsauffassung, dass eine Steuerverkürzung nicht in der betragsmäßigen Minderung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern vielmehr bereits in der Gefährdung des Steueranspruchs gesehen wird.

2.2 Bestehen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis

Der Eintritt der Steuerverkürzung ist von der Art und Weise des gesetzlichen Besteuerungsverfahrens für die jeweilige Steuerart und der Sicherung dessen Durchführung abhängig. Allgemeine Voraussetzung für das Vorliegen einer Steuerverkürzung ist jedoch das Bestehen eines Steueranspruchs. Die Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis entstehen gemäß § 38 AO, sobald ein Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Dies wiederum ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen für die jeweilige Steuerart.

Für besondere Einzelfälle (zum Beispiel § 36 Abs. 1 EStG, § 48 KStG, § 13 Abs. 1 UStG, § 18 GewStG, § 9 Abs. 2 GrStG, § 9 ErbStG) trifft das Gesetz eine abweichende Regelung, welche dann maßgeblich ist. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Steueranspruch, sondern vielmehr auch für den Steuervergütungsanspruch und den Steuererstattungsanspruch. Für den auf einen Verlustrücktrag im Sinne des § 10d Abs. 1 EStG beruhenden Erstattungsanspruch gilt als Entstehungszeitpunkt der Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Verlust entstanden ist (BFH, 06.06.2000 – VII R 104/98, BStBl II 2000, 491). Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden und ist somit ein Erstattungsbetrag im Sinne des § 37 Abs. 2 AO entstanden, so entsteht dieser in dem Zeitpunkt, in dem die den materiell-rechtlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis übersteigende Leistung erbracht wurde oder der rechtliche Grund für die Leistung entfallen ist.

Hinweis:

Von der Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, insbesondere im Steuerstrafverfahren, zu unterscheiden sind:

  • die Steuerfestsetzung mittels Steuerbescheid (§§ 155 ff. AO);

  • die Fälligkeit (§ 220 AO) sowie

  • die Verwirklichung im Erhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO).

2.3 Eintritt des Taterfolgs bei einer Steuerverkürzung

Der Eintritt des Taterfolgs bei einer Steuerverkürzung ist bedeutsam für:

  • die Abgrenzung des Versuchs von der Tatvollendung aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen,

  • die Bestimmung des Beginns der (Straf-)Verfolgungsverjährung im Sinne der §§ 78 ff. StGB sowie

  • die Bestimmung, ob ein Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 24 StGB noch möglich ist oder

  • die Möglichkeit, eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung gemäß § 371 AO wirksam einzulegen.

Je nach der Art des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 AO tritt der Verkürzungserfolg zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Hierbei ist zwischen Veranlagungssteuern und Fälligkeitssteuern zu unterscheiden.

2.3.1 Veranlagungssteuern (ESt, KSt, GewSt, Einfuhrabgaben)

Der mit Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, nach § 38 AO entstandene Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 AO wird im Rahmen der Steuerfestsetzung gemäß § 155 AO, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung. Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind nach § 155 Abs. 4 AO auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 157 Abs. 1 AO sind Steuerbescheide, soweit nichts anderes bestimmt ist, schriftlich zu erteilen. Schriftliche Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet.

Die Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid im Sinne des § 155 AO gilt vornehmlich für die Veranlagungssteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Einfuhrabgaben).

2.3.1.1 Zu niedrige Festsetzung der Steuer

Eine zu niedrige Festsetzung der Steuer beruht auf unrichtigen Angaben des Steuerpflichtigen über steuerlich erhebliche Tatsachen. Es handelt sich hierbei um eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO durch positives Tun.

Wird bei den Veranlagungssteuern der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nicht in der richtigen Höhe festgesetzt, so tritt die Tatvollendung bereits mit der unrichtigen Steuerfestsetzung ein. Die Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid im Sinne der §§ 155 Abs. 1, 157 Abs. 1 AO wird gemäß § 124 Abs. 1 AO gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt oder der von ihr betroffen ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem ihm der Steuerbescheid nach den Grundsätzen des § 122 AO bekannt gegeben worden ist. Da die Wirksamkeit des Steuerbescheides von dessen Bekanntgabe abhängig ist, bleibt die Unterzeichnung und die anschließende Freigabe der Steuerfestsetzung in der Veranlagungsstelle des Festsetzungs-Finanzamts für den Eintritt des Verkürzungserfolgs unbeachtlich (BGH, 31.01.1984 – 5 StR 706/83).

Folglich hat auch die Fälligkeit des Steueranspruchs im Sinne des § 220 AO keinen Einfluss auf den Eintritt des Taterfolgs der Steuerverkürzung.

Ebenso unerheblich ist die Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Gegen den Eintritt des Erfolgs der Steuerverkürzung kann nicht eingewandt werden, dass die Steuer, auf die sich die Steuerstraftat bezieht, aus anderen, bisher nicht geltend gemachten Steuerermäßigungsgründen hätte ermäßigt werden können, sogenanntes Kompensationsverbot gemäß § 370 Abs. 4 S. 3 AO. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit der Änderung der zu niedrigen Steuerfestsetzung aufgrund der unrichtigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel nach § 173 AO vermag nichts am Eintritt des Verkürzungserfolges zu ändern.

Beruht die Steuerverkürzung auf unrichtigen Angaben in einer Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 180 AO, so wurde in der Vergangenheit eine vollendete Steuerverkürzung erst mit der Bekanntgabe des Steuerbescheides, in dem die unrichtigen Feststellungen des Feststellungsbescheides übernommen worden sind (sogenannter Folgebescheid), angenommen. Nach der Entscheidung des BGH, 10.12.2008 – 1 StR 322/08 wird für die Vollendung der Steuerverkürzung nunmehr bereits auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bindungswirkung der gesonderten Feststellung gemäß § 182 AO abgestellt. Demnach haben Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) Bindungswirkung, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Somit ist bereits mit Bekanntgabe des Feststellungsbescheides als Grundlagenbescheid ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil eingetreten und die Steuerverkürzung vollendet.

Hinweis:

Vom Zeitpunkt der Vollendung der Steuerverkürzung ist der Zeitpukt der Beendigung der Steuerverkürzung zu unterscheiden, der maßgeblich für den Beginn der Strafverfolgungsverjährung im Sinne der §§ 78 ff. StGB ist. Mit der Umsetzung es unrichtigen beziehungsweise unvollständigen Feststellungsbescheides in den Folgebescheid ist die Steuerverkürzung im Sinne des § 78a StGB beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Maßgeblich ist hierfür der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Folgebescheides.

2.3.1.2 Unterbliebene Festsetzung der Steuer

Eine Steuerfestsetzung unterbleibt, wenn die Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen pflichtwidrig nicht abgegeben wird.

In diesen Fällen der Nichtabgabe der Steuererklärung bei Veranlagungssteuern bestimmt sich der Zeitpunkt der Vollendung der Steuerverkürzung nach dem wahrscheinlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens für den betreffenden Steuerpflichtigen ohne dessen pflichtwidriges Verhalten (BGH, 19.03.1991, 5 StR 516/90, NJW 1991, 2844). Es ist darauf abzustellen, wann die Erklärung des Steuerpflichtigen in seinem Veranlagungsbezirk nach dem jeweiligen Arbeitsanfall bei einer rechtzeitigen Abgabe bearbeitet und die Steuer spätestens festgesetzt worden wäre. Nach dem Grundsatz in-dubio-pro-reo ist dabei zugunsten des Steuerpflichtigen davon auszugehen, dass seine Steuererklärung als letzte vom Veranlagungsbezirk bearbeitet worden wäre.

In den sogenannten Nichtabgabe-Fällen tritt eine Vollendung der Steuerverkürzung somit erst mit Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten für diesen Veranlagungsbezirk ein. Dies wird hypothetisch bei einem Wert von 95 v.H. an abgeschlossenen Veranlagungsarbeiten angenommen, die sogenannte 95 v.H.-Grenze.

Bis zu diesem Zeitpunkt liegt lediglich der Versuch der Steuerhinterziehung durch die Nichtabgabe der Steuererklärung vor. Dieser Versuch beginnt frühestens mit Ablauf des gesetzlich vorgeschriebenen Abgabezeitpunktes oder einer gewährten Fristverlängerung durch die Finanzbehörde. Eine vollendete Steuerverkürzung ist mit Erreichen des 95 v.H.-Zeitpunktes der Veranlagungsstelle, die für die Bearbeitung des betreffenden Steuerfalls zuständig ist, gegeben.

Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie gemäß § 162 AO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kommt immer dann in Betracht, wenn die Finanzbehörde aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens mit der Nichtabgabe der Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlagen für den betreffenden Steuerpflichtige nicht berechnen kann. Je nachdem, ob die zuständige Veranlagungsstelle die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO vor oder nach Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten vorgenommen hat und ob der geschätzte Steueranspruch betragsmäßig höher, niedriger oder gleich des tatsächlichen Steueranspruchs ist, liegt entweder eine versuchte oder eine vollendete Steuerverkürzung vor:

  • Erfolgt die Schätzung vor Abschluss der Veranlagungsarbeiten und ist die geschätzte Steuer zutreffend oder zu hoch, so liegt mit Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist oder mit Ablauf der gewährten Fristverlängerung lediglich eine versuchte Steuerhinterziehung vor. Der durch die Nichtabgabe vom Steuerpflichtigen angestrebte Erfolg der Minderung des Steueranspruchs ist mit einer gleichwertigen oder überhöhten Schätzung in diesen Fällen nicht eingetreten (BGH, 17.07.1979 – 5 StR 410/79, MDR 1980, 107; BGH, 30.09.1980 – 5 StR 394/80, MDR 1981, 100).

  • Erfolgt die Schätzung vor Abschluss der Veranlagungsarbeiten und ist der geschätzte Steueranspruch niedriger als der tatsächlich geschuldete Steuerbetrag, so liegt hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen der geschätzten Steuer zur tatsächlich geschuldeten Steuer mit Bekanntgabe des Schätzungsbescheides im Sinne der §§ 155 Abs. 1, 157 Abs. 1und 162 AO eine vollendete Steuerverkürzung vor. Hinsichtlich des geschätzten Steuerbetrages verbleibt es bei einer versuchten Steuerverkürzung.

  • Wird die Schätzungsveranlagung erst nach Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten durchgeführt, so liegt mit Erreichen der 95 v.H.-Grenze eine vollendete Steuerverkürzung hinsichtlich der tatsächlich geschuldeten Steuer vor. Die Schätzungsveranlagung hat in diesen Fällen keinen Einfluss auf die Vollendung der Steuerverkürzung.

Hinweis:

Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bleibt auch dann bestehen, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat, sogenannte Fortdauer steuerlicher Erklärungspflichten nach § 149 Abs. 1 S. 4 AO (BGH, 11.12.1990, 5 StR 519/90, wistra 1991, 215).

In den sogenannten Nichtabgabefällen ist eine spätere Abgabe der Steuererklärung durch den Steuerpflichtigen für die vorgenannte Beurteilung der Abgrenzung zwischen Versuch und Tatvollendung unerheblich. Die Finanzbehörde hat jedoch von Amts wegen zu prüfen, ob gegebenenfalls mit Abgabe der Steuererklärung die Voraussetzungen einer Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO vorliegen. Insbesondere sind die sogenannten Sperrgründe als negative Wirksamkeitsvoraussetzungen nach § 371 Abs. 2 AO zu prüfen.

2.3.1.3 Nicht rechtzeitige Steuerfestsetzung

Eine Steuerfestsetzung unterbleibt auch dann, wenn sie bezogen auf den gesetzlich vorgeschriebenen Abgabezeitpunkt oder die gewährte Fristverlängerung nicht rechtzeitig abgegeben wird. Es handelt sich in diesen Fällen gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 AO ausdrücklich um eine Steuerverkürzung, auch wenn der Finanzbehörde materiell eigentlich kein Schaden entstanden ist. Der Schaden ist darin zu sehen, dass die Finanzbehörde zum maßgeblichen Abgabezeitpunkt (gesetzlich vorgeschrieben oder individuell fristverlängert) den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis aufgrund der pflichtwidrigen Nichtabgabe der Steuererklärungen nicht gleichmäßig nach Maßgabe der Gesetze festsetzen und erheben konnte (Verstoß gegen die Besteuerungsgrundsätze des § 85 AO). Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die verspätet eingereichte Steuererklärung unrichtige oder richtige und vollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen enthält.

Diese Art der Steuerverkürzung durch die nicht rechtzeitige Steuerfestsetzung im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 1 AO hat lediglich einen klarstellenden Charakter, denn es erfolgt in diesen Fällen keine Vorverlegung des Eintritts des Verkürzungserfolges. Auch bei der nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung liegt nach dem Grundsatz in-dubio-pro-reo eine Vollendung der Steuerverkürzung erst mit Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten für den jeweiligen Veranlagungsbezirk vor. Es gilt hierfür ebenfalls die 95 v.H.-Grenze für den Abschlusszeitpunkt bei den Veranlagungsarbeiten. Die verspätete Abgabe der Steuererklärung muss demnach ursächlich für die nicht rechtzeitige Steuerfestsetzung sein (BGH, 19.03.1991 – 5 StR 516/90, wistra 1991, 223).

Bis zu diesem Zeitpunkt liegt lediglich der Versuch der Steuerhinterziehung durch die nicht rechtzeitige Steuerfestsetzung vor.

Hinweis:

Eine Steuerverkürzung durch eine nicht rechtzeitige Steuerfestsetzung ist lediglich bei den Veranlagungssteuern und nicht bei den Fälligkeitssteuern möglich. Bei den Fälligkeitssteuern ist mit Verstreichen des gesetzlichen Abgabezeitpunktes oder der gewährten Fristverlängerung bereits eine vollendete Steuerverkürzung durch die Nichtabgabe der Steuererklärungen gegeben.

Wird eine richtige und vollständige Steuererklärung noch vor Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten und somit vor dem 95 v.H.-Zeitpunkt eingereicht, so stellt dies einen nicht strafbewehrten Rücktritt vom beendeten Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB dar (BGH, 19.03.1991 – 5 StR 516/90, wistra 1991, 223).

Erfolgt die Abgabe der Steuererklärung erst nach dem Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten und folglich nach Tatvollendung, so sind die Voraussetzungen für eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO zu prüfen. Insbesondere sind ebenfalls die sogenannten Sperrgründe als negative Wirksamkeitsvoraussetzungen nach § 371 Abs. 2 AO zu prüfen.

Enthält die nach Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten verspätet eingereichte Steuererklärung jedoch unrichtige und unvollständige Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen, so ist die Steuerverkürzung wegen Nichtabgabe der Steuererklärung bereits hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen der unrichtig erklärten und der tatsächlich geschuldeten Steuer vollendet. Hinsichtlich der unrichtig nacherklärten Steuern liegt eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO vor.

Wird die unrichtige und unvollständige Steuererklärung jedoch noch vor Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten eingereicht, so befindet sich die Steuerverkürzung wegen Nichtabgabe der Steuererklärung noch im Versuchsstadium und es wird lediglich die vollendete Steuerverkürzung wegen Abgabe einer unrichtigen und unvollständigen Steuererklärung als das schwerere Delikt verfolgt.

2.3.1.4 Vorauszahlungen

Auf die Veranlagungssteuern können unter bestimmten Voraussetzungen Vorauszahlungen zu entrichten sein. Diese Vorauszahlungen werden entweder zusammen mit dem Bescheid zur Jahresveranlagung oder in einem gesonderten Vorauszahlungsbescheid (§ 37 EStG, § 19 GewStG, § 49 KStG) festgesetzt. Der Vorauszahlungsbescheid stellt einen Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Sinne des § 164 AO dar.

Der Vorauszahlungsanspruch der Finanzbehörde entsteht grundsätzlich mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu entrichten sind. Bei Begründung der Steuerpflicht in einem Kalendervierteljahr entsteht der Vorauszahlungsanspruch jedoch erst mit Begründung der Steuerpflicht (§ 37 Abs. 1 S. 2 EStG, § 21GewStG, § 49 KStG).

Die Höhe der festzusetzenden Vorauszahlungen bemisst sich nach der zuletzt festgesetzten Veranlagungssteuer (§ 37 Abs. 3 S. 2 EStG, § 19 Abs. 3 GewStG, § 49 KStG).

Macht der Steuerpflichtige nun zum Zwecke der Herabsetzung von Vorauszahlungen unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen, so kommt es in diesen Fällen mit Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheides zu einer vollendeten Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs.1, 4 AO. Dies gilt sowohl für Anträge des Steuerpflichtigen auf eine rückwirkende Herabsetzung der Vorauszahlungen als auch für Anträge auf Herabsetzung der in der Zukunft liegenden Vorauszahlungen. Sowohl die Verkürzung der rückwirkend herabgesetzten Vorauszahlungen als auch die Verkürzung der in der Zukunft liegenden Vorauszahlungen ist mit Bekanntgabe des entsprechend geminderten Vorauszahlungsbescheides vollendet.

Hinweis:

Wird der Steuerpflichtige bereits mit seinen Einkünften von der Finanzbehörde zur Steuer veranlagt, so besteht für diesen keine Verpflichtung mehr, zur Anpassung von Vorauszahlungen höhere Einkünfte oder ein höheres Vermögen anzuzeigen. Es liegt in diesen Fällen keine Verkürzung von Vorauszahlungen vor.

In der Praxis sind die Fälle als problematisch anzusehen, in denen aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in der Jahressteuererklärung zu niedrige Vorauszahlungen festgesetzt werden. Nach Auffassung des BFH sind die Jahressteuerschuld und der Anspruch auf Vorauszahlungen zwei unterschiedliche Rechtsgüter, die in einem solchen Fall durch ein und dieselbe Handlung verletzt werden können. Somit komme es bei der Einkommensteuer durchaus zu einer Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Steuerverkürzung, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben in der Jahressteuererklärung zur Einkommensteuer zu einer herabsetzenden Anpassung des Einkommensteuer-Vorauszahlungen für die nachfolgenden Vorauszahlungszeiträume im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 2 EStG führen (BFH, 15.04.1997 – VII R 74/96, NJW 1997, 2543).

Ist der Steuerpflichtige der Finanzbehörde nicht bekannt gewesen und macht er nach seinem Bekanntwerden nunmehr unrichtige oder unvollständige Angaben, die zu einer zu niedrigen oder auch zu keiner Festsetzung von Vorauszahlungen führen, so liegt die Vollendung der Verkürzung von Vorauszahlungen in den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten für die Festsetzung der Vorauszahlungen.

2.3.2 Fälligkeitssteuern (LSt, USt)

Ist eine Steuer aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen anzumelden, so ist gemäß § 167 AO eine Festsetzung der Steuer nach § 155 AO nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer- oder Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt. Für die Fälligkeitssteuern hat der Steuerpflichtige die Steuern selbst zu berechnen und sie somit anzumelden (Steueranmeldung im Sinne des § 155 Abs. 1 S. 3 AO). Gemäß § 168 S. 1 AO steht eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung jedoch zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt die Steueranmeldung gemäß § 168 S. 2 AO erst mit Zustimmung der Finanzbehörde als Steuerfestsetzung. Die Zustimmung bedarf keiner Form.

Somit bedarf es bei den Fälligkeitssteuern im Gegensatz zu den Veranlagungssteuern in den wenigsten Fällen einer Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid.

Zu den Fälligkeitssteuern haben insbesondere die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer praktische Bedeutung. Ferner zählen zu den Fälligkeitssteuern die Kapitalertragsteuer (§§ 43-45b EStG), die Bauabzugsteuer (§§ 48-48d EStG), die Aufsichtsratsteuer (§ 50a Abs. 1- 3 EStG, § 73e EStDV) sowie der Steuerabzug von Vergütungen bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50a Abs. 4 und 6 EStG, § 73e EStDV).

Hinweis:

Vorauszahlungen zählen gleichgültig, ob sie auf eine Veranlagungssteuer als Jahressteuer zu entrichten sind, zu den Fälligkeitssteuern. Für den Erfolg der Steuerverkürzung ist dabei ausschlaggebend, ob der Steuerpflichtige der Finanzbehörde bekannt oder bislang unbekannt gewesen ist.

Bei den Fälligkeitssteuern ist zwischen den Steueranmeldungen im Sinne des § 168 AO und den Jahressteuererklärungen (§ 18 UStG, § 41a EStG) zu unterscheiden. Es gelten folgende Besonderheiten:

  • Umsatzsteuervoranmeldungen

    • Bei Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Umsatzsteuervoranmeldung mit positiver Zahllast, wird die Steuerverkürzung mit Eingang der Steueranmeldung vollendet. Dies gilt auch dann, wenn die Anmeldung vor dem Fälligkeitstermin abgegeben wird. Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

    • Dagegen tritt bei Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Umsatzsteuervoranmeldung mit negativer Zahllast die Vollendung der Steuerverkürzung aufgrund Zustimmungserfordernis aus § 18 Abs. 1, 2 UStG in Verbindung mit § 168 S. 2 AO erst mit Zustimmung der Finanzbehörde ein. Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

    • Unterbleibt die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung, so wird die Steuerverkürzung mit Fristablauf, und zwar mit Ablauf des 10. Tages nach dem Voranmeldungszeitraum, vollendet (§ 18 UStG). Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

    • Wird die Umsatzsteuervoranmeldung verspätet eingereicht, so ist die Tat der Nichtabgabe bei Eingang der Steueranmeldung bereits vollendet. Hinsichtlich der nacherklärten Steuer liegt eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO vor.

  • Umsatzsteuerjahreserklärung

    • Bei der fristgerechten Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Umsatzsteuerjahreserklärung mit positiver Zahllast tritt die Vollendung der Steuerverkürzung mit Abgabe der Steuererklärung ein. Dies gilt auch dann, wenn die Anmeldung vor dem Fälligkeitstermin abgegeben wird. Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

    • Bei der fristgerechten Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Umsatzsteuerjahreserklärung mit negativer Zahllast wird die Steuerverkürzung aufgrund der Zustimmungserfordernis aus § 18 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 168 S. 2 AO mit Zustimmung der Finanzbehörde vollendet. Mit Abgabe der Jahressteuererklärung ist bis zur Zustimmung der Finanzbehörde der Versuch einer Steuerverkürzung gegeben.

    • Wird die Umsatzsteuerjahreserklärung verspätet eingereicht, so ist die Tat der Nichtabgabe bei Eingang der Jahressteuererklärung bereits vollendet. Hinsichtlich der nacherklärten Steuer liegt eine Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO vor.

    • Unterbleibt die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung, so wird die Steuerverkürzung mit Fristablauf, und zwar mit Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist oder der gewährten Fristverlängerung vollendet. Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

  • Lohnsteueranmeldungen

    • Bei der rechtzeitigen Abgabe einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung tritt die Vollendung der Steuerverkürzung mit Eingang der Steueranmeldung ein. Dies gilt auch dann, wenn die Anmeldung vor dem Fälligkeitstermin abgegeben wird. Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

    • Unterbleibt die Abgabe der Lohnsteueranmeldung, wird die Steuerverkürzung mit Fristablauf, und zwar mit Ablauf des 10. Tages nach dem Voranmeldungszeitraum, vollendet (§ 41a EStG). Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

    • Wird die unrichtige oder unvollständige Lohnsteueranmeldung verspätet abgegeben, so ist die Tat der Nichtabgabe bei Eingang der Steueranmeldung bereits vollendet und die vollendete Steuerverkürzung der Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Lohnsteueranmeldung stellt bei Eingang der Lohnsteueranmeldung eine mitbestrafte Nachtat dar. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Vortat der Nichtabgabe wegen Eintritt der Strafverfolgungsverjährung nach den §§ 78 ff. StGB nicht verfolgt werden darf. Der Versuch einer Steuerverkürzung ist nicht gegeben.

Hinweis:

Die Nichtzahlung der Lohnsteuer stellt keine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO, sondern vielmehr eine Gefährdung von Abzugssteuern gemäß § 380 AO und somit eine Steuerordnungswidrigkeit im Sinne des § 377 AO dar.

2.3.2.1 Steuerverkürzung auf Zeit

Bei der Steuerverkürzung ist zwischen

  • einer Steuerverkürzung auf Dauer und einer

  • Steuerverkürzung auf Zeit

zu unterscheiden.

Während die Steuerverkürzung auf Dauer vom Täter einer Steuerstraftat so ausgelegt ist, dass die Gefährdung des Steueranspruchs endgültig eintreten soll, ist bei der Steuerverkürzung auf Zeit die Gefährdung lediglich zeitlich begrenzt. Die Definition der Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 1 AO stellt die zeitlich begrenzte mit der auf Dauer angelegten Steuerverkürzung auf eine Stufe. Es ist jedoch vom Unrechtsgehalt ein erheblicher Unterschied, ob die Abgabe der Steuererklärung/-anmeldung gänzlich unterbleibt beziehungsweise vorsätzlich eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben wird oder die Steuerfestsetzung aufgrund der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung/-anmeldung nicht rechtzeitig erfolgt. Die Steuerverkürzung auf Dauer wirkt bedeutend schwerer.

Hinweis:

Bei der verspäteten Abgabe von Steuererklärungen/-anmeldungen ist in der Regel zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO vorliegen. Insbesondere sind ebenfalls die sogenannten Sperrgründe als negative Wirksamkeitsvoraussetzungen nach § 371 Abs. 2 AO zu prüfen.

Steuerverkürzungen auf Zeit liegen bei den Fälligkeitssteuern in folgenden Fallgestaltungen vor:

  • Umsatzsteuervoranmeldungen;

  • Lohnsteueranmeldungen und

  • Vorauszahlungen auf Veranlagungssteuern, wie zum Beispiel Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer.

Durch die unterbliebene Abgabe oder die Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Jahressteuererklärung tritt eine endgültige Steuerverkürzung ein.

Die Unterscheidung der Steuerverkürzung auf Zeit oder auf Dauer hat im Wesentlichen Auswirkungen auf die Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Strafzumessung bei der Steuerverkürzung auf Dauer siehe Steuerstrafverfahren – Strafzumessung.

Der Steuerschaden bei der Steuerverkürzung auf Zeit bemisst sich nach der Verzögerung der Steuerfestsetzung und war im Zinsverlust des Fiskus zu sehen. Dieser Verkürzungsschaden wurde nach den Grundsätzen der §§ 235, 238 AO mit 0,5 v.H. pro Monat des nicht rechtzeitig festgesetzten Steuerbetrages errechnet (BGH, 22.10.1997 – 5 StR 223/97, StV 1998, 4). Die Höhe des Hinterziehungsbetrages war insofern nur zweitrangig maßgeblich.

Mit seiner neueren Rechtsprechung (BGH, 17.03.2009 – 1 StR 627/08, NJW 2009, 1979) geht der BGH nunmehr jedoch davon aus, dass sich bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern der Umfang der verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann nach deren Nominalbetrag bemisst, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand, dass in solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung im Sinne des § 18 Abs. 3 UStG zunächst nur eine Steuerverkürzung auf Zeit gegeben sei, führe nicht dazu, dass der tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre.

Für die Praxis bedeutet das, dass sowohl bei der unterbliebenen oder verspäteten Abgabe als auch bei der Abgabe einer unrichtigen und unvollständigen Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung immer die Gesamtsumme und nicht der Zinsverlust des Fiskus als hinterzogen gilt.

Nach Nr. 76 Abs. 3 AStBV (St) 2014 ist bei der Steuerverkürzung auf Zeit, die sich im Ergebnis als Hinausschieben der Fälligkeit ausgewirkt hat (wie zum Beispiel bei verspäteter, unrichtiger oder unterlassener Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen, bei der vorsätzlichen Herbeiführung zu niedriger Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen und bei nicht oder zu niedrig abgeführter Kapitalertragsteuer) der Unrechtsgehalt wesentlich geringer als bei der Steuerverkürzung auf Dauer. Unabhängig davon, dass in diesen Fällen der gesamte Nominalbetrag als verkürzt anzusehen ist, ist unter Hinweis auf das vorgenannte BGH-Urteil im Rahmen der Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB zugunsten des Täters zu berücksichtigen, dass sein Vorsatz lediglich auf eine Steuerverkürzung auf Zeit gerichtet war und er entweder den eingetretenen Verkürzungsschaden wieder gut gemacht oder dies zumindest ernsthaft und nachvollziehbar beabsichtigt hat. Die Annahme einer Steuerverkürzung auf Zeit wird jedoch nicht allein durch den Einwand, dass bei einer auf Dauer angelegten Verkürzung die Steuerbeträge nachgezahlt worden seien und aus diesem Grunde kein Dauerschaden eingetreten sei, gerechtfertigt.

2.4 Berechnung der Steuerverkürzung

Die Steuerverkürzung ist für eine Darstellung der steuerstrafrechtlichen Vorwürfe zur Verfolgung der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) als Steuerstraftaten im Sinne des § 369 AO beziehungsweise zur Ahndung der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) als Steuerordnungswidrigkeit im Sinne des § 377 AO zu berechnen.

Mit der sogenannten Verkürzungsberechnungwird die Höhe der verkürzten Steuern beziehungsweise der verkürzten Steuerbeträge berechnet. Dies dient zum Einen der Feststellung des objektiven Tatbestands des Erfolgsdelikts einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO, ob überhaupt eine Steuerverkürzung gegeben ist. Und zum Anderen dienen die in der Verkürzungsberechnung berechneten Verkürzungsbeträge als Grundlage für die Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB.

Wird die Tat als Handlungsvariante durch Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärungen/-anmeldungen begangen, so stellt die Verkürzungsberechnung im Wesentlichen eine Berechnung der festzusetzenden Steuer unter Änderung der bisherigen Steuerfestsetzung mit den nunmehr im Steuerstrafverfahren festgestellten richtigen und vollständigen Angaben zur Steuerfestsetzung dar.

Wird die Tat jedoch als Unterlassungsvariante durch Nichtabgabe von Steuererklärungen/-anmeldungen begangen, so erfolgt unter Feststellung der Besteuerungsgrundlagen eine erstmalige Steuerfestsetzung. Dabei ist eine eventuell bereits durchgeführte Steuerfestsetzung im Wege der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 162 AO zu berücksichtigen.

Die Verkürzungsberechnung erfolgt für die einzelne Tathandlung, also für Steuerart und Veranlagungszeitraum gesondert.

Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Steuerstrafverfahren – Verkürzungsberechnung.

3. Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile

Der Begriff des Steuervorteils ist im Gesetz nicht eindeutig definiert. § 370 Abs. 4 S. 2 AO definiert lediglich die Steuervergütungen zu den Steuervorteilen. Eine weitergehende Definition des Begriffs darüber hinaus findet sich nicht im Gesetz.

Nach der Literatur handelt es sich bei den Steuervorteilen um besondere Vergünstigungen, die nach den Steuergesetzen als Ausnahme von der sonst eintretenden Regelsteuer gewährt oder als Ausnahme von der sonst üblichen Zahlungsbestimmung bewilligt werden (BGH, 06.06.1973 – 1 StR 82/72). Die oftmals in der Praxis vertretene Ansicht, dass die Steuerverkürzung im Steuerfestsetzungsverfahren als Erlangen von Steuervorteilen im Steuererhebungs- oder Beitreibungsverfahren anzusiedeln sei, ist nach der vertretenen Auffassung nicht weitgehend genug.

Die herrschende Meinung sieht die Steuervorteile als sämtliche begünstigenden Maßnahmen spezifischer Art, die sich aus steuerlichen Sachverhalten ergeben müssen und von der Finanzbehörde außerhalb des förmlichen Steuerfestsetzungsverfahrens gewährt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Vergünstigung direkt aus dem Gesetz ergibt oder in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten und zu den Beispielen für die Steuervorteile im Sinne des § 370 Abs. 4 S. 2 AO siehe Tz. 2.4.2 unter Steuerhinterziehung.

Siehe auch

SteuerstrafrechtSteuerstrafrecht – GrundsätzeSteuerhinterziehungSteuerhinterziehung – KompensationsverbotSteuerstrafverfahren – Verkürzungsberechnung

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