Controlling-Lexikon

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BOT

1. Überblick

Bei BOT-Projekten (Build – Operate – Transfer) bzw. BOOT-Projekten (Build – Own – Operate – Transfer) handelt es sich um Finanzierungsmodelle für Infrastruktur-Großprojekte, bei denen Privatunternehmen von staatlicher und kommunaler Seite eine Konzession zur Finanzierung, zum Bau, Besitz und Betrieb einer Infrastruktureinrichtung oder einer industriellen Anlage erhalten.

Private Investitionen in Infrastrukturprojekte sind bereits seit einiger Zeit üblich. Schon vor dem ersten Weltkrieg wurden Eisenbahnen, Straßen, Brücken, Elektrizitätswerke, Häfen, Wasserwerke und ähnliche Anlagen von privaten Unternehmen gebaut. Nach dem ersten Weltkrieg wurden solche Projekte überwiegend mit Krediten der öffentlichen Hand finanziert. Heute sucht man verstärkt nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für Infrastrukturprojekte, was auf folgende Faktoren zurückzuführen ist:

  • Mittel- und langfristig ist der weitere Ausbau der Infrastruktur Voraussetzung für Wirtschaftswachstum.

  • Bedingt durch die hohe Staatsverschuldung fällt es vielen Ländern schwer, den Ausbau ihrer Infrastruktur zu finanzieren.

  • Insbesondere international tätige große Unternehmen sind an Aufträgen für Großprojekte interessiert.

  • Anlagenbauer und Betreiber geben gemeinsam Angebote für Großprojekte (zum Beispiel Kraftwerksbau) ab.

  • Eine vollständige Privatisierung kommt für viele Regierungen aus politischen oder strategischen Gründen nicht in Frage (Öffentliche Unternehmen, Privatisierung).

Durch BOT-Modelle können die öffentlichen Auftraggeber von der Dynamik, Initiative und Disziplin der Privatunternehmen profitieren. Viele Länder treiben daher die direkte Einbeziehung des privaten Sektors voran und versuchen, die benötigten finanziellen Mittel durch neue Methoden der Projektfinanzierung aufzubringen.

Abbildung 1: Die Begriffe „BOT“ und „BOOT“

Während der Vertragslaufzeit eines BOT-Projektes, die häufig zwischen 15 und 20 Jahren liegt, erhält der Unternehmer in der Regel feste Zahlungen, die er zur Erfüllung seiner Verpflichtungen einschließlich Tilgung und Zinsen für Fremdkapital verwenden kann. Nach dem im Generalvertrag vereinbarten Zeitraum wird die Anlage an den Konzessionsgeber (rück)übereignet.

Initiator des Projekts ist der so genannte General Contractor (Generalunternehmer). Er steht als direkter Vertragspartner aus dem Generalvertrag in ständigem Kontakt mit dem Kunden. Die Durchführung des Projekts erfolgt über eine Projektgesellschaft, die nur zum Zweck der Projektrealisation gegründet wird. Sie schließt alle weiteren Liefer- und Leistungsverträge ab und nimmt das benötigte Fremdkapital auf.

Beteiligen sich an der Projektgesellschaft außer dem Generalunternehmer noch weitere Unternehmen, handelt es sich hierbei entweder um reine Investoren oder um Unternehmen, die Aufgaben der Projektrealisierung wahrnehmen. Durch die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Generalvertrag auf die Projektgesellschaft haftet diese dem Kunden gegenüber.

2. BOT als Finanzierungskonzept

BOT stellt vor allem ein Finanzierungskonzept für solche Länder dar, die infolge mangelnder Kreditwürdigkeit (Länderrisiken) große Infrastruktur-Projektvorhaben nicht in eigener Regie durchführen können.

Die Kreditentscheidung eines potenziellen Kreditgebers hängt sowohl von der Bonität des Kunden als auch von der Bonität des zu erwartenden Cash Flowdes Projekts ab (Cash Flow related lending). Da mit der Durchführung als BOT-Projekt der Betrieb und die Finanzierung auf ein Privatunternehmen verlagert wird und dieses gewinn- und kostenorientiert arbeitet, sind die Erwartungen der Kreditgeber an den Cash Flow höher als bei einer Durchführung unter Staatsregie. Hinzu kommt, dass der Kreditnehmer die Projektgesellschaft ist, hinter der der General Contractor und oft andere am Projekt beteiligte Unternehmen stehen.

Bei dieser Finanzierungsstruktur handelt es sich nicht um eine Art der Privatisierung. Abgesehen von den Fällen, in denen die erwartete Nutzungsdauer der Anlagen der Vertragslaufzeit entspricht, ist eine Rückübereignung an den Konzessionsgeber wesentlicher Baustein einer BOT-Konstruktion. Daher ist BOT eher als eine Möglichkeit der Einbeziehung des privaten Sektors in öffentliche Aufgaben zu verstehen.

3. Risiken bei BOT-Projekten

BOT-Projekte setzen sich aus einer Vielzahl von komplexen Langzeitverträgen zusammen. Dabei werden die maßgebenden Bedingungen für die gesamte Laufzeit des Projektes im Generalvertrag („Master Agreement“ oder „Project Implementation Contract“) festgelegt. Der Generalvertrag wird wegen seiner „alles überspannenden Eigenschaft“ auch als „Umbrella Agreement“ bezeichnet. Mit ihm wird auch die Gründung der Projektgesellschaft festgelegt, die alle Rechte und Pflichten aus dem Generalvertrag übernimmt.

Gegründet wird die Projektgesellschaft entweder vom Generalunternehmer selbst oder einem Konsortium mehrerer Unternehmen. Anschließend ist sie Vertragspartner für alle noch auf Basis des Generalvertrages zu schließenden Verträge.

Der Generalunternehmer muss sich etwaiger Risiken aus seiner Beteiligung bewusst sein und versuchen, sie bei der Ausgestaltung des Generalvertrags auszuschließen oder zu minimieren. Folgende Punkte sind hierbei unter anderem zu berücksichtigen:

  • Die Projektgesellschaft muss bereits vor Beginn der Projektrealisierung die Konzession für die Durchführung des Projekts besitzen.

  • Die Projektgesellschaft trägt sämtliche wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Risiken, die angesichts der langen Laufzeiten eines BOT-Projektes außergewöhnlich hoch sein können. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch besondere Länderrisiken (Länderrisiken).

  • Finanziert wird das Projekt durch Eigen- und Fremdkapital (Finanzierung) in der Heimatwährung der Projektgesellschaft. Da somit auch der Kapitaldienst in dieser Währung geleistet werden muss, resultiert hieraus ein Kursrisiko (Exportfinanzierung, Länderrisiken).

Abbildung 2: Vertragsbeziehungen bei BOT-Projekten

  • Die Liquidität der Betreibergesellschaft ist unmittelbar gefährdet, wenn sie keine Einnahmen erzielt, aber ihren eigenen laufenden Verpflichtungen nachkommen muss. Es ist daher von großer Bedeutung, festzulegen, wann die Zahlungen für erbrachte Leistungen fließen sollen.

  • Im Generalvertrag ist daher zu regeln, was mit dem Objekt nach der Vertragslaufzeit geschieht und wie Haftungsrisiken (zum Beispiel Umweltrisiken) zu berücksichtigen sind.

Eine weitere Besonderheit bei BOT-Projekten ergibt sich durch die einheitliche Verantwortung für die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Die Projektgesellschaft ist nicht nur für die Errichtung der Anlage verantwortlich, sondern auch für den Betrieb nach Fertigstellung. Damit verlängert sich das Betriebsrisiko auf die Laufzeit des Projekts, das sich über Zeiträume von bis zu zwanzig Jahren erstrecken kann.

4. Akquisition von BOT-Aufträgen

Die Akquisition von BOT-Aufträgen unterscheidet sich stark von der „normalen“ Kundenakquisition im Konsumgüterbereich. Die Kundenbeziehung besteht wesentlich länger, die Auftragssummen und somit die Risiken sind um ein Vielfaches höher. Zielgruppe ist nicht eine Masse von anonymen potenziellen Kunden, sondern nur ein kleiner Kreis möglicher Abnehmer. Die meisten Projekte sind einmalig, so dass eine Standardisierung der Projektbearbeitung im Allgemeinen nicht möglich ist. Projekte werden im Wesentlichen akquiriert über

  • Ausschreibungen (Tenderverfahren),

  • Beziehungen, die bei Vorprojekten aufgebaut werden konnten,

  • Anfragen von anderen Unternehmen, die Partner zur Durchführung von Großprojekten suchen, und

  • Angebotsabgabe nach durchgeführten Beratungsaufträgen (Prefeasibility-/ Feasibilitystudies).

Bereits in der ersten Phase nach Bekanntwerden eines beabsichtigten Projektes stellt sich die Frage, ob man sich an diesem Projekt beteiligen soll oder nicht. Gerade im langfristigen Anlagengeschäft ist die positive Entscheidung für viele Jahre bindend. Abgesehen von der hohen Kapazitätsbindung und den somit blockierten Opportunitäten (Opportunitätskosten) ist auch der zu erwartende Cash Flow von einigen wenigen großen Projekten abhängig. Während in Unternehmen mit vielen kleinen Aufträgen das Einzelrisiko durch die große Risikostreuung nicht so bedeutend ist, kann bei wenigen Großprojekten eine Fehlentscheidung die Existenz des gesamten Unternehmens gefährden.

Trotz dieses nicht unerheblichen Risikos liegen in der ersten Entscheidungsphase in der Regel noch keine detaillierten Informationen über das Projekt vor. Bei der Ausschreibung werden lediglich die Bedingungen zur Teilnahme am Ausschreibungsverfahren erläutert. Häufig werden auch bestimmte Voraussetzungen der Kapitalausstattung und besonders nachzuweisende Referenzen und Erfahrungen gefordert. Erst den Gewinnern der Präqualifikation werden detaillierte Tenderunterlagen zugestellt.

Anmerkung:

In der Regel sind vor der Präqualifikation noch keine genauen Aussagen über die benötigten Kapazitäten möglich. Die Experten im Unternehmen müssen daher auf Basis der wenigen vorhandenen Informationen und durch Vergleich mit ähnlichen Projekten eine ungefähre Vorstellung über den Kapazitätsbedarf des Projekts entwickeln.

Die Teilnahme an der Präqualifikation ist mit keinem großen Aufwand verbunden. Wurde erst einmal eine Präqualifikationsmappe erstellt, kann diese für weitere Bewerbungen angepasst und mit speziellen Referenzen ergänzt werden.

Hat der Generalunternehmer die Präqualifikation bestanden, erhält er die detaillierten Ausschreibungsunterlagen, auf deren Basis ein konkretes Angebot erstellt werden kann. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei BOT um Großprojekte handelt, bei denen das Risiko einer erfolglosen Offerte sehr hoch ist. Das Unternehmen riskiert hohe Kosten, die bei Verlust des Auftrags als Vorlaufkosten abgeschrieben werden müssen:

  • Die Ausarbeitung eines verbindlichen Angebotes mit allen dafür notwendigen Detailunterlagen macht drei bis fünf Prozent des Auftragswerts des Projekts aus. Zu diesen Kosten gehören insbesondere die laufenden Personalkosten, Reisekosten und Fremdleistungskosten (Ingenieurleistungen, Vermessungsbüros und Unternehmensberatungen). Wenn die Angebotserstellung Kapazitäten bindet und so die Annahme anderer Aufträge blockiert, entstehen zusätzlich Opportunitätskosten .

  • Die Angebotsphase kann sich über einen sehr langen Zeitraum (bis zu einem Jahr oder länger) erstrecken.

  • Die so genannte Trefferquote (die Wahrscheinlichkeit, dass ein Angebot zum Auftrag führt) liegt bei ca. zehn Prozent.

Der Preis ist im Anlagengeschäft, in dem es um beträchtliche Summen geht, nicht immer das ausschlaggebende Argument. Vielmehr sind bei der Organisation von Großprojekten Zuverlässigkeit und Professionalität des Anbieters für den Kunden wichtige Auswahlkriterien. Zwei Faktoren sind hierbei zu berücksichtigen:

  • Mit der Zuschlagswahrscheinlichkeit wird die Wahrscheinlichkeit des Auftragserhalts ausgedrückt. Bestimmende Faktoren hierfür sind die eigene Angebotsqualität und die der Konkurrenz. Weiterhin kommen Faktoren wie das Produkt selbst, der Preis, die Werbung und persönliche Kontakte hinzu. Im Wesentlichen sind diese Faktoren vom Unternehmen beeinflussbar.

  • Die Realisierungswahrscheinlichkeit bringt die Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck, mit der das Projekt vom Kunden realisiert werden wird. Diese Größe kann das Unternehmen nicht beeinflussen.

Liegt die Zuschlagswahrscheinlichkeit beispielsweise bei 60 Prozent und die Realisierungswahrscheinlichkeit bei 80 Prozent, ergibt sich eine Auftragserhaltswahrscheinlichkeit von

100 x 0,8 x 0,6 = 48 (48 Prozent).

Kommt es nach der Abgabe des Angebotes zu einer Vertragsunterzeichnung, sind insbesondere die technischen Risiken von Bedeutung. So besteht mit dem Fertigstellungsrisiko die Gefahr, dass die Anlage nicht zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt betriebsbereit ist und bei Nichteinhaltung dieses Termins Konventionalstrafen anfallen. Werden festgelegte Qualitätsstandards oder bestimmte Leistungsparameter nicht erreicht, kann das ebenfalls zu Konventionalstrafen oder Mindereinnahmen des Betreibers führen. Zu den technischen Risiken lassen sich noch das Risiko derKundenbeistellungen sowie das Local-Content-Risiko rechnen:

  • Der Kunde kann einen Teil der Lieferungen und Leistungen in seinem eigenen Leistungsbereich behalten (Kundenbeistellung). In diesem Fall liegen Fehler in der Bauausführung, Unzuverlässigkeit, Unpünktlichkeit und sonstige Qualitätsmängel teilweise nicht im Einflussbereich – wohl aber im Verantwortungsbereich des Generalunternehmers.

  • Das Local-Content-Risiko resultiert daraus, dass der Generalunternehmer auch für die Lieferungen und Leistungen von im Kundenland ansässigen Unternehmen haftet.

5. Bewertung des Projekts

Basis zur Darstellung der zukünftigen Ertrags- und Steuersituation der Projektgesellschaft ist eine Plankalkulation (Kalkulation, Planung). Sie ist Voraussetzung für eine Projektbewertung über den Cash Flow . Dabei kann diese Plankalkulation nur in Form einer Gewinn- und Verlustrechnung erfolgen, da das Projekt über ein eigenständiges, nur zur Projektdurchführung gegründetes Unternehmen (Projektgesellschaft) durchgeführt wird.

Die besondere Schwierigkeit bei der Erstellung der Plankalkulation besteht darin, die Risiken einfließen zu lassen. Üblich ist die Erstellung verschiedener Szenarien, so genannte Worst-Case-, Best-Case- und Normal-Case-Betrachtungen.

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